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Bilder auf dem Rückzug in die Nähe
(oder Malerei zwischen Kopf und Gefühl)

Artikel von Angelika Froh, erschienen im (K) Kulturmagazin

 

Michael Fröhlich, ein "junger Wilder" aus Neustadt widmet sich in Kassel ganz der "Menschenmalerei." Fasziniert von dem Motiv "Kopf" macht der dreißigjährige
Künstler Lebensenergien in Form und Farbe auf der Leinwand sichtbar.

Laut dem Türschild verbirgt sich hinter der grauen Tür ein Aufenthalts- und Ruheraum
der ehemaligen Kasseler Autobahnpolizei. Umso überraschter ist man beim Eintreten:
Siebzehn schaurig-schöne Köpfe starren den unerwarteten Besucher an. Das
Neonlicht der einstigen Behördenräume ist gleißend und verstärkt das Gefühl des
Beobachtens. Die farbenprächtigen "Acrylfarbgesichter" auf Papier zeigen die aktuelle
Arbeit von Michael Fröhlich. Die Wand mit den aufgereihten Häuptern nimmt den
Betrachter sofort gefangen, erst auf den zweiten Blick entdeckt man Staffelei,
Arbeitstische und jede Menge großformatige Leinwände, die einem den Rücken
zukehren.


Malerei die vom Leben erzählt


"Ich wollte immer Maler werden, schon mit vierzehn war mir das klar", erzählt
Michael Fröhlich ganz selbstbewußt und beginnt sich bedächtig eine Zigarette zu
drehen. An die Kunsthochschule kam der Wahlkasseler 1992 und begann mit dem
Studium der Freien Kunst in der Klasse von Kurt Haug. Er fährt sich nachdenklich
durch die dunklen Locken und gibt offen zu, "dass er eigentlich nach dem Studium"
gleich wieder aus Kassel weg wollte. Doch die "Arbeitsbedingungen für Künstler sind
hier ideal" und so hat der Maler aus der Oberpfalz in der nordhessischen Metropole
eine zweite Heimat gefunden.
Das Geheimnis der zahlreichen verdeckten Kunstwerke wird Stück für Stück gelüftet.
Der einstige Meisterschüler zeigt ein ums andere Ölbild und schwärmt von der
"Geschmeidigkeit der Ölfarbe", die ihn begeistert und ihm das Malen in Schichten
ermöglicht. Köpfe und wieder Köpfe, doch jeder "Gezeichnete" erscheint als
pulsierende Masse.
Die Intensität der Farbe und der Kontrastreichtum seiner Bilder wecken Gedanken an
lebendige Zellen, die auf der Oberfläche der Leinwand in Bewegung geraten. "Ich
habe eine Vorliebe für die demonstrative Unkenntlichkeit", damit charakterisiert er die
offensichtlichen Ähnlichkeiten zwischen den Porträts, die jedoch nur verschwommen
typische Merkmale des Gesichts preisgeben: Nase, Augen und Mund wachsen
förmlich aus der Farbe. Die schrundige Oberfläche und der impulsive Pinselstrich
tragen dazu bei, dass die Sensibilität und Verletztheit der körperliche und psychischen
Dimensionen bis an die Bildoberfläche sichtbar werden. Der immer wiederkehrende,
monumentale Kopf wird somit zum verinnerlichten Symbol des menschlichen Seins.
Das Klischee vom "Spätaufsteher und Tagträumer" trifft auf den eifrigen Künstler
Michael Fröhlich so gar nicht zu. "Mein Motto ist täglich etwas Tun, Kunst ist auch
Disziplin." Drei bis vier Wochen malt er manchmal an einem Werk und verläßt das
Atelier meistens nur zum Schlafen. Michael Fröhlich spaziert im Raum umher und nutzt
die Gelegenheit die Vielzahl seiner Bilder mit "anderen" Augen zu betrachten: "Meine
Kunst ist keine Gedankenkunst, sondern eine satte, die Sinne befriedigende Malerei."

Momente des Bewahrens


Seine vollkommene Konzentration auf die Malerei ist wie ein Rückzug in die Nähe,
eine Möglichkeit das Wesentliche zu fixieren und ohne Ablenkung zu arbeiten.
Michael Fröhlich ist erfolgreich, er kann von seiner Kunst leben und das ist für
ihn schon eine Form des Luxus. Seine entmaterialisierten Köpfe blicken stets starr und
heroisch, sie offenbaren Elemente von Dominanz und Verlust. Der Künstler Fröhlich
beschreibt sich selbst als lebensfroh und optimistisch und kann die Aufforderung
seiner Mutter : "mal etwas Nettes zu malen" nur bedingt verstehen. Seine Kunst
spiegelt die reine Lust an Malerei wider. Lächelnd deckt er drei hochformatige Bilder
auf, die man schon fast als Gegenbilder bezeichnen könnte. Die poetischen
Interieurbilder verzichten auf die menschliche Figur und widmen sich den ausschnitt-
haften Einblicken in Wohnräume.
Mit seinen Sessel-Lampen-Kompositionen und den ungewöhnlichen Perspektiven
realisiert er Metaphern der Abwesenheit, deren Raumatmosphäre jedoch nie seelenlos
erscheint. Dabei entwickelt Michael Fröhlich erstmalig Mut zum Detail, in seiner Serie
"Behaglichkeit" (2001) spielt er mit Mustern auf dem Teppich oder der Tapete und
erzeugt Assoziationen zu Gemütlichkeit und Heimverliebtheit. Seine Szenarien sind
wieder vielfarbig und wecken bei genauem Hinsehen Kindheitserinnerungen an die
"gute Stube." Der Hinweis auf das menschliche Dasein ist dem Künstler wichtig.
In der Alltäglichkeit der Szene und der bewußten Konfrontation mit der Anonymität
entstehen ganz eigene Momente des Bewahrens.


"Kopflose" Objektivität


Neben den Kontakten zu Galeristen in Kassel und Frankfurt stellt der Oberpfälzer
regelmäßig im Kunstverein Weiden aus und überrascht die Besucher mit neuen
Motiven. "Als Künstler experimentiert man natürlich auch mal gern." Michael Fröhlich
erinnert sich an die Phase, die ihn von den "Köpfen" entfernen sollte. Mit der Bildserie
"Gerätschaften" verbindet er selbst das Streben nach mehr Objektivität.
Die Phantasiemaschinen mit den Namen: "Obstpflücker mit Verwertungsapparat"
(2001 ) wirken zeichenhaft-naiv und basieren im Gegensatz zu den "Häuptern" auf
Vorskizzen. Der Versuch ein Kunstwerk zu entwerfen ist eine neue Erfahrung für den
Gemütsmenschen Fröhlich. "Eigentlich entsteht meine Ölmalerei ganz spontan und
ungeplant, die Wahl der Farbe entscheidet sich in dem Moment des Tuns, ich bin
dann ganz in der Struktur des Bildes."
Die surrealen Maschinen-Montagen haben ebenso Persönlichkeit wie seine Köpfe.
Die Charakter-Maschinen demonstrieren ihre Einzigartigkeit in Konstruktion und Titel.
Die Rückkehr zum Lieblingsmotiv war jedoch nur eine Frage der Zeit. Nach der letzten
Ausstellung 10:10 im Kunstverein Weiden/Oberpfalz (2001) wagt sich der arbeits-
wütige Maler an Acrylfarbe und realisiert die siebzehn "Porträts", die nur ganz entfernt
an Andy Warhols Marilyn-Serien erinnern. Die Gegenwart mit ihrer digitalen Bilderflut
und dem zwanghaften Hang zur Distanz schafft die Notwendigkeit für eine
"Kopfmalerei" a la Michael Fröhlich. Davon ist wohl auch die Zippel-Stiftung
überzeugt, die vor kurzem eines seiner Werke ankaufte.


Mittlerweile dämmert es draußen. Wir stehen beide in dem Kreis von Bildern, die
zuvor geordnet und verdeckt an der Wand lehnten. "Gute Bilder sprechen für sich
selbst", das hat Kurt Haug bei seiner Laudatio zur Ausstellung "Köpfe und
Häupter"(1998) im Kulturbahnhof über die Malerei von Michael Fröhlich gesagt.
Mein Blick richtet sich auf ein reliefartiges Kopf-Bildnis, welches größer als die
anderen erscheint, es wirkt düster und geheimnisvoll. "Meine Malerei lädt den
Betrachter ein unter die Oberfläche zu tauchen, will man das Symbol entziffern tut
man das auf eigene Gefahr."

Angelika Froh
Januar 2002

erschienen im (K) KulturMagazin 8. Jahrgang Ausgabe 78 - März 2002

Verlag M. Faste

Auszug aus der Laudatio zu den Ankäufen von Michael Fröhlich u.a. der Dr. Wolfgang Zippel Stiftung; Neue Galerie Kassel, 8.9.1999

 

Es ist treffend und fordernd zugleich, meine Damen und Herren, wenn Beat Wyss in seinem Essay: "Die Welt als T-Shirt" feststellt, ich zitiere: "Die Aufgabe der Kunst im Zeitalter der Massenmedien ist die Sozialisierung von Sehen und Hören, was einer kulturellen Verlangsamung entspricht. Gegen die rasende Einsamkeit digitaler Paradiese stellen Kunst und Kunstvermittlung die Bodenhaftung her mit Menschen, die auch Zunge, Haut und Nase sind". Einer uniformen, visuellen Kultur auf Knopfdruck und den Folgen ihres Dauerkonsums entgegnet die bildende Kunst direkt und sinnlich, so wie ihre Produktion einem individuellen, eigenen Rhythmus gehorcht, ihre Präsentation auf konkretes Leben baut. Selbstverständlich bieten die neuen Technologien -die Etablierung der Videokunst bestätigt das nur- langfristig attraktive und innovative Erweiterungen. Derzeit allerdings stellt sich auch, weil durch die ständige Präsenz und ebensolchem Abruf elektronischer Bilderfluten provoziert, die Frage nach verändertem Sinn, ja Sinnverlust tradierter künstlerischer Genres. Mit dem diesjährigen Stiftungsankauf zum Schwerpunkt Malerei und den ausgewählten Werken von Peter Anders, Erika Breuer, Michael Fröhlich und Andrea Steen wird genau diese Diskussion aufgegriffen. Sie alle äußern sich präzise zu Bedeutung und Gehalt des unbewegten, konsequent wandbezogenen, in Herstellung und Wahrnehmung zeitintensiven Bildes. Das malerische Arbeiten von Michael Fröhlich (Jahrgang 71) thematisiert einen Klassiker, nämlich die Darstellung des Menschen. Der großzügig gestische Pinselduktus beschreibt jedoch keine physiognomischen Eindeutigkeiten, vielmehr werden intuitiv mentale Konstitutionen des Körpers umschrieben. Nicht der dezidierte festgelegte Entwurf, sondern vage Ideenskizzen erlangen im Stadium des Malens selbst ihre unmittelbare Umsetzung und damit Authentizität. Die flächig kompakten, mehrmals geschichteten Ölaufträge verdeutlichen in wenigen, bisweilen nur auf Primärfarben konzentrierten Valeurs einen expressiven Weg der Kompositionsfindung. In den letzten zwei Jahren entstanden mit der Reihe "N.N.", nomen nescio, ausschließlich Köpfe, losgelöst von jeglicher Ähnlichkeit oder gar Identität. Die als wesentlich geltenden Details eines Porträts Nase, Mund und Augen zeigen sich nur schemenhaft verzerrt und lediglich angedeutet. "N.N.", das sind Anonymas, in ihrer elementaren Mimik Reste des Figurativen. Analog zur kontrastreichen Farbgebung überlagert Geometrisches, als Umrahmung oder Gitter, als breite Horizontbalken die meist in Frontalansicht angelegten Köpfe. Trotz der kräftigen Buntheit wirken sie in ihrer überdehnten und blockierten Formation einsam, zumindest allein gelassen. Prototypisch dafür steht "79:80", wenn das Innenformat durch kräftige Querzonen am oberen und unteren Bildrand markiert den Titel abgibt. .......

Doris Krininger

 

Auszug aus der Eröffnungsrede von Prof. Kurt Haug, anlässlich der Ausstellung "QUER" im Kulturhaus Dock 4, Kassel (1996)

...Die starkfarbigen Erscheinungen, die sie auf den Leinwänden Michael Fröhlichs wahrnehmen, sind in der Regel als mehr oder weniger menschenähnliche wesen zu identifizieren. Anfangs waren es vor allem Köpfe und Gesichter, die er aus ein paar impulsiv hingehauenen Farbflecken und Konturen entstehen ließ - oder deren Entstehung aus einer Malerei heraus er jedenfalls billigend in Kauf nahm. Natürlich konnten Sie unter den vielen Kopfformen und Physiognomien, die der junge Maler als angebliche Nebenprodukte seines Malprozesses hervorgebracht hat, nie jemanden bestimmtes wiedererkennen. Aber mehr als einmal fühlten Sie sich an Gesichtsausdrücke erinnert, die Ihnen schon einmal irgendwo, sei es in der Kunstgeschichte, im Comic-Heft oder wirklichem Leben, begegnet waren. Sind es vielleicht intuitiv erfasste Psychogramme seiner eigenen oder fremder Personen, die sich in solchen Bildern zu überraschender Anschaulichkeit verdichten? Er selbst lehnt auf Befragen jede Absicht zur Darstellung irgendeiner Seelenlage entschieden ab und bestreitet ebenso strikt, sich etwa gerade in ähnlicher Stimmung wie das soeben gemalte Monstrum zu befinden. Denn monströs, gemessen am natürlichen Menschengesicht, sind diese wesen nun wirklich alle, wenn auch ihre Ausstrahlung nicht generell als beängstigend unfreundlich bezeichnet werden muß. Michael Fröhlich gibt indessen gar nichts außer seiner Lust am freien malerischen Gestalten der Bildfläche zu. So ganz können Sie ihm die Rolle des unschuldigen Mediums nicht abnehmen, denn warum müssen es immer wieder Gesichter sein, so roh und rudimentär sie auch ausgestattet sind mit Auge, Nase und Mund? Oder neuerdings, diese seltsam verrenkten Figuren mit den meist viel zu dünnen Armen, die er unter dem Begriff Aerobic auftreten lässt? Warum dieses auffallend kontinuierliche Arbeiten an einer Art Menschenbild, wenn es eigentlich bloß um eine anspruchsvolle Malkultur gehen soll?.......

Veröffentlicht in "prisma" Nr. 54/1996 ISSN: 0171-3604